Malenkischer Karneval

von Saveria Masa

Seit ewigen Zeiten war der Karneval ein typischer Moment des Jahres in der weltlichen Kultur, der die Oberhand mit seinen Festen gewann, in der sich viele Bräuche und Traditionen vermischten, um das Ende des Winters zu feiern. Der Karneval stand mit dem Erwachen der Natur in Zusammenhang: dies ist der Grund des großen Jubels und der versöhnenden Fülle, zu denen die Menschen zu allen Zeiten zurückgekehrt sind.

Das Wort “Karneval” kommt von dem lateinischen Wort carnem levare, (Fleisch wegnehmen) es bezieht sich auf den Faschingsdienstag, oder besser der Tag, der der Fastenzeit (Ascherrmittwoch) vorrausging und man sich vom Fleisch verabschieden mußte. Eine typische Tradition des Faschingsdienstags im Valmalenco war das Abendessen “oss de ciùn e patati” (gekochte Schweineknochen mit Kartoffeln). In diesen Tagen, und nur in diesen, in Anbetracht der chronischen Armut unserer Bevölkerung, gab es alles in Hülle und Fülle: im Januar schlachtete man üblicherweise Schweine, das, abgesehen vom Fleisch, als Wurst für die nächsten Monate verarbeitet wurde, die Knochen benutzte man für den Abend des Faschingsdienstag, das Blut um Bratwurst zu machen, das Schmalz um das nicht fehlen dürfende Schmalzgebäck zu und die fritieren turtèi!

Der Karneval feiert die Vernichtung der alten Welt und die Geburt der Neuen: in dieser Zeit war alles verkehrt herum, Ausmaße, Regeln, Gewohnheiten wurden gewollt verletzt.
Nicht nur das Essen wurde mehr, sondern im Valmalenco war auch der Brauch sich zu verkleiden, die Rollen zu tauschen: die Frau verkleidete sich als Mann und der Mann als Frau, oder man verkleidete sich als eine echte Persönlichkeit, wie zum Beispiel als Priester oder einfach nach Fantasie. In allen Ortschaften des Tales verkleidet man sich mit dem was man hatte. Albina Scilironi (Jahrgang 1927) erinnert sich, dass in Spriana: “ Man sich mit wenig verkleidete, wir zogen eine Schürze von der Oma an und gingen in die benachbarten Häuser, und wenn es gut ging bekam jeder von uns zwei oder drei Kastanien. L’è fö la végia (die alte ist draußen) schrie man ”.

Den Übergang vom Alten zum Neuem feierte man, in dem man “das Alte verbrannte”, man nahm eine Puppe oder noch einfacher, einen Stapel Holz und Brombeersträuche und zündete sie zu einem Feuer an. In Chucci, ein altes Stadtviertel in Spriana, mittlerweile unbewohnt, erinnert man sich, dass die Einwohner sich in der Lokalität Capitèl versammelten, um am Faschingsdienstag am Lagerfeuer teilzunehmen und die Jugendlichen der Stadtviertel traten gegeneinander an, wer das Feuer am längsten brennen lassen konnte. Bevor man den Karneval verbrannte, verbrannten die Jugendlichen während des Abends Heubündel, die sie an einem Pfahl (paiarö) banden und dann mit ihnen den flachen Saumpfad entlang liefen. Der Brauch, das Alte zu verbrennen, war auch in dem Stadtviertel Cao verbreitet, auf einer kleinen flachen Panoramawiese, nicht aus ZufallL Brüsegàda genannt.

In Pose für ein Fest mit Freunden (Vassalini 40er Jahre)

Auch in Chiesa kannte man den Brauch sich zu verkleiden, sowohl die Großen als auch die Kleinen. Giuseppina Pedrolini (Pina), Jahrgang 1925, erinnert sich, dass man sich im Karneval verkleidete, in dem man alte Kleider anzog und sich eine Papiermaske aufsetzte. Man klopfte an die Haustüren, trat ein und wer konnte schenkte trockene Kastanien oder Erdnüsse. Auch Pina Dell’Andrino (Jahrgang 1933) erzählt, dass die Kinder in Gruppen verkleidet gingen; man fing ungefähr mit fünf, sechs Jahren an, die Großen nahmen die Kleinen mit, und sie zogen die verrücktesten Kleider, die man finden konnte, an: es waren Kleider von den Großeltern, weite Röcke, Mieder, Westen… Man mußte nur versuchen nicht erkannt zu werden.

Auch die Erwachsenen verkleideten sich, in einer Art, das die Kleinen sich oft erschreckten. Delfina Lenatti (Jahrgang 1924) erzählt, das sie sich nie verkleidet hat, weil sie Angst vor den verkleideten Großen hatte: “ als Kind, ich war Zehn Jahre alt, ging ich nach Costi meine Oma besuchen und, wo heute die Seilbahn ist, war eine Art Sumpf und dort habe ich verkleidete Jungs gesehen, die herumsprangen und sangen. Einer trug eine Ziegenhaut und mimte eine Ziege, es war entsetzlich! Die Masken kamen auch von Primolo runter, ich erinnere mich an einige, die den Kopf mit einer Art Korb mit Ästen und Gräsern bedeckt hatten,… ich hatte große Angst! ”.

Der Treffpunkt der Größeren, die die Erlaubnis der Eltern hatten, war die Gastwirtschaft Marianna in Curlo, wo man sich zum Tanzen traf. Viele andere trafen sich in Kellern, die mit Salamis und gutem Wein gefüllt waren, aber es waren mehr oder wenigr Treffpunkte für Freunde, und auch normalerweise nur männliche, weil solche Sitten sich für die weiblichen nicht ziemte!

(Mitgearbeitet an den Zeugenaussagen haben Isabella Dell'Agosto, Sara Scuffi und Elvira Ioli)