Das Fest der Kuhglocken (sampùgn)

Der erste März stellt für die Gemeinschaft des Valmalencos, die schon immer an die Tradition und Bauernkultur gebunden war und seit ewigen Zeiten auf diesem Gebiet verwurzelt ist, einen besonderen Tag dar. Es ist der Tag des “Festa dei Sampugn” (Die Glocken, die man an den Hals der Kühe hängt), auch genannt "andà a ciamà l’erba" (das Gras rufen gehen), traditionelle Feier zum Erwachen des Frühlings, der seinen Ritualursprung in der heidnischen Zeit hat und im italienischen alpinen Raum sehr verbreitet ist.

Wie uns Angelo und Pina erzählen, eins der ältesten Eheaare aus dem Ort Lanzada, seit wir Kinder waren, war der erste März immer el dì de andà a ciamà l’erba (der Tag des Gräserrufens). Man stand am frühen Morgen auf, um in die Schule zu gehen (die Kinder von Ganda, Vetto und Tornadri besuchten die scöla dé Vétt Schule in dem Ortsteil Vetto - während die Schüler der Stadtteile Centro und Moizi die Schule in Lanzada besuchten) und jeder brachte seine eigene Kuhglocke mit, die man schon auf dem Schulweg, man ging zu Fuß zur Schule, zum läuten brachte: es war der Brauch das Gras, nach einem langen Winter, wieder aufzuwecken. Die sampùgn durfte man natürlich nicht mit in die Klasse bringen, und so wurden sie in einer Ecke im Flur oder unter die Treppe der Schule gelegt.

Wie man sich vorstellen kann, entstand zwischen den Kindern auch ein gewisser Konkurrenzkampf, wer die schönste und größte Kuhglocke hatte.

Als der Unterricht endlich zu Ende war, kehrte man schnell zum Mittagessen nach Hause zurück, um sich dann am Nachmittag in Gruppen zu treffen und auf den Dorfwiesen die sampùgn (Kuhglocken) zu läuten, um den Frühling zu rufen.

Ein anderer wichtiger Moment des Tages war das Abendessen. In jedem Ortsteil waren zwei oder drei ältere Frauen, die Polenta taragna (Polenta mit Butter und Käse gemischt) und Brühwurst zubereiteten und 20 Kinder zu Gast hatten. Jedes Kind brachte etwas mit, ein bisschen Mehl für die Polenta, ein Stück Butter, ein Stück Käse, Brühwurst, cunsc (Schweinefett) gravisun (Schweinefettstückchen mit etwas Fleisch dran). Man setzte sich auf Holzbänken um ein Feuer herum und wartete bis die Polenta fertig war.

In der Gemeinde Spriana war aufwärts in dem Stadtteil Cucchi ein großer Stein, genannt Sàs di sampogn(Stein der Kuhglocke) auf dem am ersten März sich die Kinder versammelten, um mit dem Läuten der Kuhglocken das "Gras zu rufen". Es handelte sich um den offiziellen Eintritt in den Frühling und in diesem Datum legten die Kinder ihr Schuhwerk (pedùli und vor allem die Holzschuhe, selten waren es Schuhe) beiseite und gingen péscin barfuß.

Früher war der Tag des ersten Märzes sicherlich bedeutender, weil das Überleben der Familien von dem Zyklus der Jahreszeiten und der Heuernte abhing.

Die Tradition geht noch heute weiter: am ersten März jeden Jahres, treffen sich Familien und Kinder am Nachmittag zur Kuhglockenparade auf den Straßen des Ortes. Am Abend trifft man sich in den Restaurants des Ortes bei Polenta taragna und Brühwurst.