Wallfahrtskirche Madonna delle Grazie in Primolo

von Saveria Masa

Erbaut in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war und ist die Wallfahrtskirche Beata Vergine delle Grazie nicht nur für die Einheimischen ein Ort der Veehrung, sondern auch für die Pilgerer. Das Gebäude steht auf einer Kuppe in einer prächtigen Panoramaposition, von der aus es den Talkessel von Chiesa Valmalenco dominiert. Unten zeigen sich die Einwohner von Lanzada und von Caspoggio und erhebt man den Blick, dann zeichnet sich der Pizzo Scalinoscharf gegen den Himmel ab, ein natürlicher Wallfahrtsort in einem landschaftlichen Zusammenhang von absoluter Schönheit.

Wallfahrtskirche Madonna delle Grazie in Primolo.

Die Wallfahrtskirche wurde im Jahre 1688 gebaut: am 4. August desselben Jahres wurde der erste Grundstein gelegt und im Laufe weniger Jahre wurde die Kirche vollendet und unmittelbar zelebriert.

Der Weg, der zum Erbau der Kirche führte, war dennoch sehr lang und mühselig, wenn man bedenkt, daß die Idee, eine Kirche in Primolo zu bauen, schon zwanzig Jahre vorher von den Einwohnern des Stadtviertel Primolos kam, die sich aus eigenen geistlichen Gründen und einer extrem unbequemen Situation heraus eine eigene Kirche wünschten, da sie, vor allen im Winter, jedes Mal nach Chiesa zur Messe, Taufen oder Beerdigungen gehen mußten.

Die gekrönte Maria

Während die Leute von Primolo eine kleine Kirche, gerade groß genug für die eigene Stadtbevölkerung oberhalb des Ortes in der Lokalität Pratoni bauen wollten, strebte der Pfarrer Giovanni Chiesa ein ehrgeizigeres Projekt an, eine Wallfahrtskirche, die der Madonna delle Grazie gewidmet, an einem gut vom ganzen Tal aus sichtbaren Ort gebaut und das Ziel der Pilgerer und Marienveehrer werden sollte.

Die fehlende Einigung zwischen dem Pfarrer und den Einwohnern von Primolo hatte zur Folge, das viele Jahre vergingen, ohne das irgend etwas geschah, bis eines Tages, der nunmehr in die Jahre gekommende Pfarrer, es doch noch schaffte die Einwohner davon zu überzeugen eine Wallfahrtskirche zu bauen, in dem er die Madonna herbeirief, und einer Quelle aus dem 18. Jahrhundert nach, ist ihm die Madonna im Schlaf erschienen und ihm befohlen die Wallfahrtskirche zu ihren Ehren an dem Platz zu bauen, den er wollte.

Der alte Pfarrer spielte eine große Rolle für den Bau der Kirche, da er doch der ursprüngliche Planer war, aber auch sein Neffe Giovanni Maria Chiesa, der beim Tod des alten Onkels, er starb schon zwei Tage nach der Grundsteinlegung der Wallfahrtskirche, zum neuen Pfarrer ernannt wurde und somit zum effektiven Gründer dieses Projektes.

Beide Pfarrer gehörten der Familie Chiesa an, die die vermögendste Familie vom ganzen Valmalenco war und sich mit einer hundertjährigen Tradition von Notaren und Geistlichen rühmen kann, und die im Laufe des 17. Jahrhunderts einen ununterbrochenen sozialen Aufstieg hatte und somit die unbestrittenen Protagonisten in Religion und Politik im Valmalenco waren.

Im Laufe des 18. Jahrhundert wurde die Wallfahrtskirche einer der Standorte der Veltliner Mariani, die von großer Hingabe waren, so groß, dass sie im Jahre 1765 eine wichtige Anerkennung seitens des Vatikans bekommen haben, die Krönung der Statue der Madonna, ein Privileg, das in damaliger Zeit nur den zwei wichtigsten Wallfahrtskirchen der Provinz zuerkannt war und zwar die der Madonna von Tirano und der Madonna von Gallivaggio.

Für die liturgische Krönungsfeier bestimmte der Papst Colombano Sozzi, Abt des Klosters in Desintis in Graubünden und Fürst vom heiligen romanischen Reich war. Die Feier fand in Chiesa am 11. August 1765 in Anwesenheit des Abtes, dem Bischof aus Como, Giovan Battista Mugiasca, und der ganzen Geistlichkeit des Tales statt.

Schon in den ersten Jahren nach ihrer Erstehung, wurde die Wallfahrtskirche Ziel der Gebete und Wallfahrt seitens eines starken Flusses von Gläubigen, die auch aus den benachbarten Orten angezogen wurden, aber vor allem war es ein Ort, an dem man Grazia und Schutz von der Jungfrau Maria erhielt, wie heute noch einige sehr alte Ex voto Tafeln bezeugen.

Maria mit dem Kind.

Bald festigte sich der Brauch das Fest der Wallfahrtskirche am ersten Sonntag im August zu feiern und man hält es auch für möglich, dass die tradtitionelle Prozession, bei der die Statue der Madonna durch die Straßen des Ortes getragen wird, mit dem Bau der Wallfahrtskirche zusammenhängt. Am Abend vorher wurden zahlreiche Fackeln auf den Almen des Tales angezündet, eine Tradition, die nicht nur ein Fest bedeutete, sondern auch ein Zeichen großer Hingabe an 'sie' war, die die Leute aus dem Valmalenco als 'ihre' Madonna fühlten, die Madonna von Primolo.

Im Laufe des dreihundertjährigen Lebens der Wallfahrtskirche, hat die Hingabe zur Madonna von Primolo Ausdrücke und Modalitäten angenommen, die die Substanz einer Tradition bildeten, in der sich das Heilige Element und die Orthodoxie mit dem malerischen und folkloristischen überschneidet. Dies ist der Fall einer bekannten Tradition, das 'Kratzen am Glas' seitens der Frauen, die einen Ehemann suchen. Das betreffende Glas ist natürlich die Nische aus Glas, in der die Statue der Madonna aufbewahrt wird. Es handelt sich hier um eine eher jüngere Tradition, die mit volkstümlichen Aspekten verbunden ist, die typisch im späten 19. Jahrhundert waren, eine Epoche, die durch eine blühende propagandistische Literatur charakterisiert war, mit dem Ziel das Tal ersten Touristen bekannt zu machen.