Der Scheren- und Messerschleifer von Caspoggio

Die Arbeit des Scherenschleifers (elmuléta, im örtlichem Dialekt), im Valmalenco und in der Provinz Sondrio, war schon immer ein besonderer Vorzug bei den Einwohnern von Caspoggio, die in vergangenen Zeiten, um den mageren Resourcen der Landwirtschaft entgegen zu wirken, gezwungen waren auszuwandern um ein Zubrot zu verdienen, in dem sie sich auf dieses Handwerk spezialisieten, das bis vor wenigen Jahren noch große Nachfrage hatte.

Der Muléta Andrea Negrini.

Als nach dem Jahr 1878 die Gemeinde Caspoggio befahrbare Straßen baute, die den Ort mit Chiesa verband, erlebte die Arbeit des muléta eine bemerkenswerte Expansion, aufgrund relativer Leichtigkeit als Straßenhändler auszuwandern, so daß sie nicht nur in der ganzen Provinz arbeiten konnten sondern auch sehr weit weg, wie zum Beispiel ins Po- Tal, ins Piemont, und Emilia Romagna und manch einer auch bis nach Neapel. Im Laufe weniger Jahrzehnte arbeiteten fast alle Männer aus Caspoggio in dieser Beschäftigung. In den Zeiträumen, in denen die Landwirtschaft brach lag, nahmen sie ihre Karren, genannt möla und gingen zu Fuß zu ihren Arbeitsplätzen, aber in kleinen Etappen, weil sie ab und zu anhalten mußten um Schneidwerk aus Eisen zu schleifen. Jeder hatte seinen Platz und für gewöhnlich brachte der Scherenschleifer auch einen Burschen mit, den Sohn oder den Neffen, der ihm half Eisen zum Schleifen zu finden, in dem er “molìta, l’è chi ‘l molita!” (Scherenschleifer, hier ist der Scherenschleifer) den Straßen des Dorfes entlang schrie, dann sammelte er die Gegenstände zum Schleifen ein und brachte sie zum Schleifer, der normalerweise auf dem öffentlichen Platz seine Arbeit verrichtete, und nach dem Schleifen gab er sie den Besitzern wieder und kassierte die Bezahlung in Form von Geld, oder oft auch Landwirtschaftliche Produkte: grano, Wein, Kastanien, Käse und Salami.

Der Muléta Isidoro Negrini.

Die muléta kehrten selten nach Hause zurück, nur zu den Feiertagen wie Weihnachten, Ostern, S. Rocco, der Schutzpatron von Caspoggio, Totentag, und zur ersten und zweiten Heuernte, zur Geburt eines Sohnes oder Tod eines Verwandten. Es war ein freudloses Leben: Straßenhändler ohne festen Wohnsitz, man schlief wo man gerade etwas fand, in einem Stall oder in einem Heuschuppen, in einem Sack aus Stoff, der (sak da muc’) genannt wurde, man wusch sich am öffentlichen Brunnen, und man aß fast immer nur ein Stück Brot und Käse, selten ein warmes Gericht in einem Gasthof. Sie waren gezwungen immer zu Fuß zu gehen und waren deshalb auch Wetterunbilden ausgesetzt, sie mußten ihren Karren über nicht asphaltierte Straßen oder Bergstraßen schieben, und den ganzen Tag stand man auf dem linken Fuß um das Gleichgewicht zu halten, denn mit dem rechten Fuß mußte man das Pedal treten, um das Schleifrad zu betätigen.